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Die Zeitschrift BISS, die Verkäufer und das Wechselgeld

Letzte Woche war ich mal wieder in München unterwegs und habe mich dabei an ein Relikt aus der Vergangenheit gehalten. Die Tradition entstand als ich in München wohnte. Bei jedem Besuch in der Innenstadt unterstützte ich die Verkäufer der Zeitschrift BISS mit dem Kauf einer Zeitung. BISS wird verkauft von Bürgern mit sozialen Schwierigkeiten und der Verkäufer bekommt für jedes verkaufte Heft 1,10€ (so steht es auf den aktuellen Heft).

Früher war es den Verkäufern eine Ehre dieses Heft zu verkaufen. Es gab einen Verhaltenscodex und der besagte, dass auf den Cent genau das Wechselgeld zurückgegeben wird. Doch die Zeiten haben sich geändert. Inzwischen ist es anscheinend nicht mehr üblich die Centbeträge wieder rauszugeben. Im ganzen Verhalten wird ausgedrückt, runde doch einfach auf. Es wird so getan, als hätte der Verkäufer kein kleines Geld um rauszugeben. Finanziell ist das auf jeden Fall eine lohnende Sache, von 2,20€ auf 3€ aufzurunden.

Nachdem mir das die letzten Male immer passierte, habe ich nun gestern entschieden mit der Tradition zu brechen und keine BISS mehr zu kaufen. Ich nehme mein Geld nicht weg, sondern arbeite dafür, so wie alle anderen auch. Ich finde die Aktion mit BISS gut und glaube, dass es der richtige Weg ist. Ich mag mich aber nicht mit dem Verkäufer darüber streiten, ob ich nun noch 30 Cent bekomme. Noch will ich ein schlechtes Gewissen hinterher haben, dass ich mein Wechselgeld haben wollte.

Wahrscheinlich ist die Entscheidung falsch und ich sollte mich mit ihnen streiten. Hm, da werde ich wohl doch nochmal nachdenken.

Sie sind zu alt, ihre Agentur für Arbeit

Gestern morgen hattte ich ein interessantes Gespräch. Wobei interessant in dem Fall auch die Betonung auf erstaunlich, Kopfschütteln, Wundern hat. Vor mir saß eine Frau im besten Alter, wir unterhalten uns. Sie kommt aus einer der ehemaligen Sowjetrepubliken und lebt schon viele Jahre in Deutschland. Ihr Deutsch mit Akzent ist ohne Probleme zu verstehen. Sprachbarrieren gibt es nicht.

Seit Jahren sucht sie nach Möglichkeiten, ihre Kinder zu versorgen ohne die Unterstützung des Staates. Doch immer wenn sie nach einer Umschulung fragte, kam die gleiche Antwort: “sie sind zu alt”. So vergingen die Jahre. Der Hunger nach Ausbildung blieb. Nun steht ein neuer Termin bei der Agentur für Arbeit an.

Doch ich will meinem Unverständnis hiermit Luft machen. Ist eine Frau, die noch über 20 Jahre arbeiten muss, zu alt? Wer trifft solche Entscheidungen bei der Agentur für Arbeit? Ohne eine Umschulung wird sie immer vom Staat abhängig sein. Und das die nächsten 20 Jahre und die danach folgenden auch. Sie wird den Rest ihres Lebens vom Staat abhängig sein. Von der Rente, die sie für ihre jetztige Tätigkeit erwirtschaftet, wird sie nicht leben können.

Wie können die Sachbearbeiter vor Ort solche Entscheidungen treffen? Wenn die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit ihr bereits vor vielen Jahren die Umschulung bezahlt hätten, dann würde sie ihre Kinder bereits seit vielen Jahren alleine ernähren und versorgen können, ohne “Stütze”. Ich bitte Sie bei der Agentur für Arbeit, sehen sie nicht nur mit den Zahlen, sondern mit Herz und Verstand zum Wohle unseres Staates und der Menschen, die darin leben.

PS: Man könnte auch profan argumentieren: Wir können uns so eine Einstellung nicht mehr leisten.